Ent.täuschung

Wenn ich etwas erwarte, dann habe ich das Gefühl, ein Recht auf eine Sache zu haben. Aber ist das wirklich so? Manche meiner Erwartungen basieren auf Versprechen anderer – aus denen könnte man ein gewisses Recht auf Einhaltung ableiten. Aber wenn ich ehrlich bin, leiten sich viele meiner Erwartungen nicht wirklich aus klaren Zusagen anderer ab, sondern ich entwickle sie. Vielleicht aus Gewohnheit oder – und das ist besonders perfide – aus meinem eigenen Verhalten heraus. Ganz nach dem Motto: “Ich mach das so, also musst du das auch so machen.” Das ist natürlich nicht fair, denn die Personen, an die ich dann meine von mir selbst abgeleiteten Erwartungen stelle, haben oft nicht einmal eine Ahnung von dem, was ich von ihnen möchte. Aber ich reagiere dennoch sauer, wenn sie die (eben oft nicht einmal formulierten Erwartungen) nicht erfüllen.

Zwei Dinge sind mir bewusst geworden: Meine zerstörten Hoffnungen haben sehr viel mit meinen Erwartungen zu tun. Daher werde ich in Zukunft selbstkritischer schauen, wie gerechtfertigt meine Erwartungen überhaupt sind. Und zu dieser Fokusverschiebung von dem, was ich nun nicht haben (oder bekommen oder erleben kann) kommt hinzu, dass ich im Vorfeld durchaus positive Gefühle hatte! Die wische ich mit dem Vorwurf der Enttäuschung vollkommen vom Tisch – und das macht das Gefühl der Enttäuschung gleich doppelt heftig.

“Und ich habe mich doch so gefreut!”, sage ich vorwurfsvoll, wenn mir eine Hoffnung zerstört wurde. "Ich habe mich gefreut – ist das nichts?”

Enttäuschung ist nur dort möglich, wo Täuschung bestanden hat. Deshalb ist Enttäuschung immer, so schmerzlich sie auch sein mag, ein Schritt der Wahrheit entgegen, eine wertvolle Befreiung von Irrtum und Illusion. Wenn dich jemand enttäuscht, dann bedanke dich! Schließlich ist eine ENTtäuschung das Ende einer eigenen TÄUSCHUNG.