Typisch Deutsch - Eine Kontroverse

„Wenn niemand über mich schreibt, mach ich es eben selbst.“ Da wird alles im Internet kommentiert, was man kommentieren kann, mit Halbwissen geglänzt oder noch besser, die eigene Dummheit gnadenlos zur Schau gestellt.

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In Online- und Zeitungsportalen noch anonym, in den Sozialen Medien gerne auch unter Klarnamen. Und dabei gilt: wie beim Foto-Selfie – entscheidet nicht der gute Geschmack! Sprache muss nicht schön sein. Wenn jemand keinen vollständigen Satz zustande bringt und sich in gebrochenem Deutsch über Ausländer aufregt, die nicht deutsch sprechen können aber die Arbeitsplätze rauben, ist das lange noch kein Grund, um sich zu blamieren. Er weiß eines sicher: diejenigen, deren Zustimmung er sucht, haben in der Schule auch keine Lust gehabt etwas zu lernen …

Wer soll schön sein, das Werk oder der Künstler? Oder keiner von beiden?

Es mag an der Hängung und Auswahl der Positionen liegen, tatsächlich aber bangen die Frauen permanent um ihr Aussehen, während die Männer sich auch dickbäuchig, betrunken und runzlig für fantastisch halten. Beide Geschlechter erscheinen wie gefangen in ihren jeweiligen Zwängen. Und die ermüden auf Dauer die Betrachter.

Ob nun ausgerechnet die Selfies der Porträtgeschichte neue Impulse geben können? Es gab sie ja einmal, die Schaustücke großer Selbstbetrachtungen, Albrecht Dürers Eigenansicht als Christus, Paula Modersohn-Beckers Aktbild mit nacktem Babybauch sind keine Ego- sondern Menschheitsbilder. Vielleicht gebiert die visuelle Massenproduktion noch etwas ganz Neues auch in der Kunst. Davon aber ist noch nichts zu spüren.

Vielleicht kommt es ja auch anders, und die nächste große Sache in der Geschichte menschlicher Selbstdarstellung verzichtet lieber auf rechteckige Bilder.

Und hör auf mit dem „Deutsch-mit-Migrationshintergrund“-Quatsch!

Es geht nicht um den Migrationshintergrund. Es geht um eine hegemoniale Weltordnung, die Ihr um den großen Kuchen namens Wohlstand spannt: Es gibt die Weißen. Das sind christlich oder abendländisch geprägte Menschen mit oder ohne deutschen Pass. Diese Gruppe hat Vorrecht auf den Kuchen. Sprich auf Wohnung, Arbeit und Gymnasialempfehlungen. Und dann gibt es die Anderen. Diese tauchen kaum auf, weder in Kinderbüchern, in Philosophievorlesungen, in deutschen Behörden, noch im Autorenverzeichnis der Zeitungen: Schwarze (bitte nicht Farbige oder Afrikaner sagen) und People of Color (Araber, Türken, Asiaten usw). Solange der Kuchen so aufgeteilt ist, werden Deutsche mit Migrationshintergrund immer Deutsche zweiter Ordnung sein. Sag deshalb nicht: Du bist ein Deutscher mit Migrationshintergrund. Sag lieber: Du gehörst nicht dazu. Das ist ehrlicher.

Am Anfang ist die Windel.

Seit 1973 gibt es die Dixi-Klos. Mich auch. Ist das endlich typisch Deutsch? "Ich war vor einigen Jahren abends auf einer Kirmes bei uns im Ort und dort waren Jugendliche. Und ich musste auf Toilette und einer dieser Kids war auf dem Dixieklo. Ich bat ihn schneller zu machen und wurde dann auch etwas lauter. Nach ca.5 Minuten war das Klo endlich frei und diese Kids befanden sich in direkter Nähe. Und als ich das Klo betratt, hörte ich auf einmal wie irgendetwas plötzlich einrastette. Und dann hörte ich diese Kids lachen. Durch diese Erfahrung hab ich ständig Stuhldrang und bin Inkontinent. Ich habe auch eine Therapie hinter mir." Wie ich. Das ist typisch deutsch!

Hör auf mit dem „Deutsch-mit-Migrationshintergrund“-Quatsch!

Diese Gruppe ist keine Gruppe. Ihr habt mit vielen Ausländern mehr gemeinsam als mit mir. Ihr seid den österreichischen, französischen und australischen Ausländern näher als meinem Vater und mir, obwohl die anderen Ausländer sind und wir beide Deutsche.

Es geht nicht um den Migrationshintergrund. Es geht um eine hegemoniale Weltordnung, die Ihr um den großen Kuchen namens Wohlstand spannt: Es gibt die Weißen. Das sind christlich oder abendländisch geprägte Menschen mit oder ohne deutschen Pass. Diese Gruppe hat Vorrecht auf den Kuchen. Sprich auf Wohnung, Arbeit und Gymnasialempfehlungen. Und dann gibt es die Anderen. Diese tauchen kaum auf, weder in Kinderbüchern, in Philosophievorlesungen, in deutschen Behörden, noch im Impressum dieser Zeitung: Schwarze (bitte nicht Farbige oder Afrikaner sagen) und People of Color (Araber, Türken, Asiaten usw). Solange der Kuchen so aufgeteilt ist, werde ich immer Deutscher zweiter Ordnung sein. Sag deshalb nicht: Du bist ein Deutscher mit Migrationshintergrund. Sag lieber: Du gehörst nicht dazu. Das ist ehrlicher.

– Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/23682416 ©2016

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